Ticcon

Ticcon AG

1. Gründungsphase

Die Ticcon AG wurde am 27. November 1999 in Flensburg gegründet, Vorläufer war die „Junge Beratung“ die ab 1995 in Köln und Flensburg aktiv war und sich aus dem Comicverlag „Flying Kiwi“ ergeben hatte. Wie kam ich auf die Idee, eine Internetagentur gründen zu wollen und dann noch eine AG? Jedenfalls nicht spontan. Es war ein jahrelanger, gewachsener Prozess.

Klaus P. Friebe 1994
Klaus P. Friebe – Gründungsdirektor der Technologiestiftung Schleswig-Holstein, 1994

Alles begann mit Klaus P. Friebe, dem Direktor der Technochnologiestiftung Schleswig-Holstein (TSH). Herr Friebe hatte zu uns Studenten nach einem von uns als Networking-Veranstaltung durchgeführten Symposium Kontakt gehalten. Wir hatten ihn als Studenten zu einem Symposien für Wirtschaft und Kultur auf Schloss Glücksburg als Gesprächspartner und Moderator eingeladen. Im Rahmen seines Wunsches der Technologiefolgenabschätzung beauftragte er uns, ein „Grünbuch“ zum Thema der aufkommenden Internettechnologien zu erstellen. So machten wir uns auf den Weg, die kommenden „Killerapplikationen“ zu identifizieren, die Wirtschaft und Gesellschaft verändern werden. Wir lernten bei unseren Recherche sehr viel und fassten alles in einer umfangreichen Dokumentation zusammen.

Schloss Glücksburg, Wasserschloss
Schloss Glücksburg

Unsere Potentialabschätzung und Ideensammlung führte dazu, dass ich unverzüglich aus Köln, den Auftrag erhalten hatte, für das Unternehmen Bayer Leverkusen einen medizinischen Onlinedienst zu konzipieren und mit der Kölner Internetagentur Impact und Markus Kraemer die technische Umsetzung zu realisieren. Und was waren wir von der Grafik begeistert, die wir damals hoch innovativ realisiert bekamen, dass wir im 3D-Stil die Navigationselemente gestaltet bekamen. Das Comiczeichnerherz schlug höher. Und der Kunde Bayer war zum Glück auch zufrieden (s. Scrennshot Startnavigation „Mediworld“).

Mediworld - Bayer Leverkusen
Internetportal für Medizin „Mediworld“ von Bayer Leverkusen, 1995

Nachdem die Strategieabteilung von Bayer bemerkte, dass „Mediworld“ eher von einem medial neutralen Partner betrieben werden sollte, wurde das Projekt an den Burda Verlag verkauft. Herr Friebe registrierte sehr wohl, dass da Schleswig-Holsteiner aufgrund seiner Initiative ihr Wissen sofort praktisch und unternehmerisch umsetzen. Die Technologiestiftung veranstaltete einen Multimediakongress 1996 in der Musik- und Kongresshalle (MUK) in Lübeck.

Ich war noch am Überlegen, ob es sich lohnt, von Flensburg durch ganz Schleswig-Holstein bis nach Lübeck zu fahren. Ich war gerade ein frisch gewordener Vater und der kleine Jonathan müsste mit? Da Lübeck auch die Geburtsstadt meiner Eltern war und Herr Friebe ernsthaft drängelte, dass ich doch bitte zu kommen hätte, sind wir dort in Form eines Familienausfluges hingefahren. Erst vor Ort erfuhr ich, worum es wirklich gehen könnte. Ein niedersächsischer Tourismusunternehmer hatte die Internetdomain www.schleswig-holstein.de für sich selbst gesichert. Herr Friebe bat mich: „Herr Junge, holen Sie für Schleswig-Holstein bitte diese Internetadresse zurück! Und dann bringen Sie endlich das Land online. Schleswig-Holstein ist das vorletzte Bundesland, das noch nicht online ist! Ändern Sie das!“ Alle Bundesländer außer Thüringen und Schleswig-Holstein waren schon im Internet präsent. Es klang so, wie „bringen Sie die Band zusammen“. Und so wurde ich im Auftrag des Herrn aktiv (s. Blues Brothers).

2. Schleswig-Holstein Forum

Die Landesregierung Schleswig-Holstein bekam nun im Jahre 1996 mit, dass „Internet“ wichtig werden könnte. Nach einer sehr kurzen Planungsphase saß ich bei Ministerpräsidentin Heide Simonis am Kabinettstisch. Ich wurde sehr spontan eingeladen, dazuzukommen. Die Staatskanzlei sowie alle damaligen neun Ministerien mit ihren nachgeordneten Einrichtungen wollten „plötzlich“ online gehen. Bernd Rohwer war Leiter des Planungsstabes in der Staatskanzlei und später ab 1998 Staastsekretär im Wirtschaftsministerium. Ihm wurde das Projekt „Internet“ übertragen und so guckte er mich in der Runde an, ob ich es denn flink schaffen könnte, endlich Schleswig-Holstein online zu bekommen. Nichtsahnend, auf was ich mich da einlasse würde und ohne konkrete Vorstellung, wie mir das gelingen könnte, sagt ich voller Selbstüberzeugung naiv „Ja“. Es begann für mich eine sehr intensive Lernphase.

2.1. Technologiestiftung und Technologie-Tranfer-Zentrale als Ausgangspunkt

Die damalige Technologie-Transfer-Zentrale Schleswig-Holstein (ttz SH) GmbH am Lozentzendamm in Kiel (gegründet 1992), direkt neben der Industrie- und Handelskammer zu Kiel, hatte schon ein Internetprojekt realisiert, das „Technologie- und Informationssystem Schleswig-Holstein“ (TISCH) von Eugen Mikschl. So lernte ich Andreas Seeger und damit die ersten Internetpioniere in Kiel kennen, die schon seit 1992 als technische Dienstleister aktiv waren, die NetUSE AG. Es stand damit eine Serverarchitektur zur Verfügung, die schnell vor Ort genutzt werden konnte.

Aber einfach nur unter der Domain schleswig-holstein.de die Selbstdarstellungen der Staatskanzlei und der Ministerien zu verwirklichen? Das war mir zu wenig. Das ganze Internet in Deutschland begann so einfältig mit einem „Willkommen auf meiner Startseite“. Was sollte eine Website der Landesregierung mehr leisten können, mehr Nutzen stiften, als selbst nur eine digitale Visitenkarte zu sein? Es war die Idee eines „Schleswig-Holstein Forums“ geboren. Wie konnte das gelingen?

Klaus Friebe (1935-2017) von der TSH unterstützte immer innovative, technologiegetriebene, „verrückte“ Ideen, so hatten wir uns auf Schloss Glücksburg kennengelernt. Als gebürtiger Oberschlesier ist er erst 1958 aus Polen ausgewandert, wo er aufgewachsen war. Mit seinem Studium der Elektrotechnik ging er bis 1975 in die USA, wo er als „crasy German“ an der Entwicklung der Mikroelektronik beteiligt war. Diesen rasanten technologischen Fortschritt, der sich daraus ergab, trug er als Leiter des neu gegründeten VDI/VDE-Technologiezentrums Informationstechnik nach Berlin und damit nach Deutschland. Als Mitbegründer der Technologiestiftung und der ttz SH in Kiel war er der Antreiber und Impulsgeber für unkonventionelle Ideen.

Die Landesministerien hatten, wie damals so üblich in öffentlichen Haushalten, natürlich kein Geld, kein Budget für den Aufbau eines Internet-Landesportales eingeplant. Und sie hatten kein Konzept. Die Ministerien hatten nur ihr Budget für Druckerzeugnisse, wie Broschüren und Flyer, eingeplant. Das nötige Geld für den Aufbau eines Landesportales kam also von der Technologiestiftung und damit von Klaus Friebe und seinem Team (vor allem Michael Fornahl und Jens Ambsdorf). Wir hatten damit nicht nur die ideelle sondern auch die finanzielle Basis für ein innovatives und technologisch herausforderndes Projekt, für ein webbasiertes Landesportal, das „Schleswig-Holstein Forum“ (s. Screenshot von 1998).

Schleswig-Holstein Forum 1996-1999
Schleswig-Holstein Forum 1996-1999


2.2. Das SHF-Team

Wir? Ich stand da erstmal ziemlich allein mit meinem Versprechen an die Landesregierung. Budget und ein guter Wille waren vorhanden. Aber was nun? Ich brauchte ein Team. Mein Flensburger Studienkollege Jan Steenbuck, der sich auch schon seit 1992 mit diesem neuen Internetphänomen beschäftigte, wusste wie man HTML-Seiten manuell baute. Er war sofort dabei, als ich in fragte, ebenso Jens Westermann. Markus Radons und Stephan Abramowski, zwei weitere Programmierer aus meinem Flensburger Umfeld, lieferten ebenfalls hilfreiche Bausteine.

In der Staatskanzlei arbeitete Sunna Diemann im Büro von Bernd Rohwer. Über sie lernte ich die Lübecker Web-Agentur „MediaClick“ mit Markus Roppiler kennen, die sich 1995 gegründet hatte, ebenso wie die Firma „Lynet Kommunikation AG“ mit Henning Hach (heute Convotis). Es formte sich langsam ein Team, das dies Projekt wuppen konnte. Über die damalige Redenschreiberin von Heide Simonis, Silke Ruck (heutige Leiterin des Dienstleistungszentrum Personal SH), lernte ich Joachim Liedtke kennen, der schon als Jura-Student mehr seinem Talent als Webdesigner freien Lauf gab.

Warum zähle ich alle diese Akteure hier auf? Zum einen aus Dankbarkeit. Eine solche Herausforderung war nur durch den Einsatz engagierter Mitmacherinnen und Mitmacher möglich. Zum anderen um deutlich zu machen, dass für das Gelingen komplexer Projekte, die Kreativität und Zielstrebigkeit erfordern, ein flexibel agierendes Netzwerk notwendig ist, welches einen spürbaren Freiraum für sich nutzen kann, ein Spielfeld, auf dem man sich gemeinsam als Team antreiben, ergänzen und gegenseitig inspirieren kann.

Wir wollten also mehr, als nur eine „Hallo“-Seite. Unser Anspruch war, ein Landesportal zu erschaffen, dass nicht nur die Ministerien abbildet. Wir wollten ebenso eine regionale „Suchmaschine“ für alle Internetangebote in und aus ganz Schleswig-Holstein sein. 1996. Weit vor Google. Es gab zwar schon AltaVista (ab 1995) von Digital Equipment (DEC) und Yahoo (ab 1994) als internationale Suchmaschinen, aber eben kein regionales Angebot.

Stefan Mehne von der NetUSE AG war schon Anfang der 1990er ein passionierter Teetrinker. Er hatte ein Teegeschäft in Oldenburg in Holstein entdeckt, zu dem er aber nicht immer fahren wollte, um sich seinen Lieblingstee kaufen zu wollen. So überredete er den alten Landenbesitzer, der gar keinen Computer besaß, einem Internetshop zuzustimmen, den er für ihn einrichten würde. Es wurde eine Fax-Weiche für die Webseite programmiert und so fielen bei Frank Franken’s Teehandlung die Internet-Bestellungen zukünftig weiterhin aus dem Faxgerät. Aus Schleswig-Holstein stammte die erste eCommerce-Anwendung (s. Screenshot von Tim Cole, der gerne dieses Beispiel in seinen Vorträgen verwendet hat), weit vor Amazon.

Frank Franken's Teehandlung
Frank Franken’s Teehandlung, Oldenburg in Holstein, erste eCommerce-Anwendung

Mit diesem schon „damals“ erfahrenen, innovativen Internet-Team der NetUSE AG konnten wir uns auf machen zu neuen Ufern. Meine Anfrage, ob sie für die Webseite schleswig-holstein.de eine Suchmaschine programmieren könnten, wurde mit einem sofortigen „klar doch“ beantwortet.

Wir selbst brachten uns alle autodidaktisch den Umgang mit „Homesite“ bei und klöppelten im Akkord Inhalte auf die Website, um sie dann mit „WS_FTP“ auf den Webserver zu schieben. Die Sehnsucht nach einem dynamischen Content-Management-System wuchs, das Text und Layout getrennt verwalten konnte. Aber der Start des Schleswig-Holstein Forums erfolgte statisch.

 

2.3. Die Eröffnung des Schleswig-Holstein Forums

Am 16. April 1997 war es soweit. Die Inhalte der Staatskanzlei waren digitalisiert. Die Organisationsstruktur der Ministerien war abgebildet und sämtliche Ministerien hatten ihre ersten rudimentären Infos und Ansprechpartner online. Wie verlief dieser Prozess der ersten Inhaltserstellung? Naja, Vorschläge, welche Anwendungen man online realisieren könnte, wurden mangels Budget abgelehnt und ein Bote hatte die bestehenden Printbroschüren als Information abzuholen, damit wir die Inhalte abtippen konnten. Ob wir jedenfalls die digitalen Druckdateien bekommen könnten? Fehlanzeige. Mit sehr viel Fleißarbeit konnte der Eröffnungtermin gehalten werden. Herbert Jacobs von der ttz SH, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, hatte die Veranstaltung voll durchgeplant und organisiert. Inklusive eines riesigen Bildschirmes im Landeshaus von „Media Connection“ wurden die Webseiten für ein großes Publikum präsentiert.

Innhalb der ttz SH als offiziellem Träger des Projektes war Franz Gelbke der Geschäftsführer. Er hat uns als Team in Abstimmung mit Klaus Friebe als Geldgeber Freiräume und Gestaltungsräume ermöglicht und gegenüber der Politik vertreten (s. Foto, Franz Gelbke im Gespräch mit Heide Simonis).

Franz Gelbke und Heide Simonis
Geschäftsführer der ttz SH, Franz Gelbke, mit Ministerpräsidentin Heide Simonis

Mit dem Konzept „Ihr Internet-Nutzen regional und vor Ort“ starteten wir in die Öffentlichkeit unter der Domain schleswig-holstein.de. Die Vision bestand ebenso, irgendwann Verwaltungsanforderungen als Anwendungen von Land und Kommunen online abwickeln zu können. Der Begriff „eGovernment“ war geboren. Wir waren unserer Zeit damit wohl über 25 Jahre voraus, aber taten erstmal so „als-ob“ und hatten stattdessen ja immerhin einige andere private Webseiten aus Schleswig-Holstein eingesammelt, um ein paar regionale Inhalte als „Suchmaschine“ verlinken zu können.

Heide Simonis, Schleswig-Holstein Forum
Am 16.04.1997 eröffnet die Ministerpräsidentin Heide Simonis das Internetportal „Schleswig-Holstein Forum“ im Landeshaus, Jens Junge klickt dazu im Internet

Auf der Bühne wurde Heide Simonis von Herbert Jacobs (ttz SH) nach ihren ersten Erfahrungen im Internet gefragt. Sie meinte, dass ihr Block und Bleistift immer noch lieber wären… wir wurden vorher als Team von der Staatskanzlei auch gewarnt, dass die Ministerpräsitentin den Umgang mit der Maus nicht gewohnt sei, weil sie nicht am Computer arbeiten würde.

Heide Simonis und Herbert Jacobs
Heide Simonis im gespräch mit Herbert Jacobs (ttz SH) zum Thema „Internet“

Da wir vor dem Eröffnungstermin keine Zeit bekamen, mit Heide Simonis den Umgang mit der Maus am PC-Bildschirm zu üben, haben wir den roten Startknopf nicht nur riesig gemacht, den sie zu zur Eröffnung zu drücken hatte, sondern haben auch die gesamte Fläche um den Knopf drum herum zur Sicherheit interaktiv mit einem Link versehen, dass sie nur irgendwo mit der Maus zu klicken hatte, bis die Startseite erschien.

Heide Simonis, Eröffnung Schleswig-Holstein Forum
Heide Simonis kurz vor dem Mausklick zur Eröffnung des Schleswig-Holstein Forums

Es ging alles gut. Nach ihrem ersten Mausklick erschien die vorgesehene Webseite „Das Forum ist eröffnet“ und der Sekt konnte getrunken werden. Erleichtert entfernte sie sich von ihrem ersten digitalen Arbeitsplatz. Heide Simonis war schon damals als äußerst aktive Flohmarkt-Jägerin und beinharte Verhandlerin bekannt. Einige Jahre später, 1999, berichtete sie, dass sie nun sehr rege bei eBay aktiv sei und die Vorteile des Internets schätzen gelernt hätte.

Heide Simonis nach dem historischen Mausklick zur Eröffnung des Schleswig-Holstein Forums
Heide Simonis nach dem historischen Mausklick zur Eröffnung des Schleswig-Holstein Forums

Das Interesse an den ersten offziellen Inhalten der Landesregierung im Internet war groß. Das Foyer im 1. Stock des Landeshauses war sehr gut gefüllt. Viele Menschen wollten bei diesem Aufbruch in eine neue Zeit dabei sein (s. Foto). Auch die dann kommenden Abrufzahlen des Schleswig-Holstein Forums wuchsen rasant mit den dann von uns immer weiter ausgebauten Inhalten. Neben den Ministerien kamen die nachgeordneten Einrichtungen, wie Landespolizei mit den ersten Online-Fahnungen (nach geklauten Segel- und Sportbooten), die Denkmalpflege oder das Landesmuseumsamt oder dann später auch das staatliche Glücksspiel mit NordwestLotto Schleswig-Holstein dazu.

Eröffnung Schleswig-Holstein Forum
Eröffnung Schleswig-Holstein Forum am 16. April 1997 im Landeshaus

Der Erfolg des Schleswig-Holstein Forums mit seinen steigenden Abrufzahlen ließ die Kosten steigen und gleichzeitig entstand die Möglichkeit, mit ersten Online-Werbeanzeigen Umsatz zu generieren. Das war ganz im Sinne des Projektträgers, der ttz SH GmbH und der Landesregierung, aber dann einige Zeit später nicht im Sinne der dann vermehrt aufkommenden privaten Portalanbieter. Die IHK zu Kiel, deren Tochter die ttz SH GmbH (Vorläufer der heutigen WTSH) war, erhielt wüntende Protestbriefe, dass die öffentliche Hand nun in den neu aufkommenden Markt eingreifen würde und damit den Wettbewerb verzerren würde. Wir hatten die Einnahmen zu drosseln und hatten gleichzeitig das Problem der technischen Weiterentwicklung, der anstehenden Investitionen in ein leistungsfähiges Content-Management-System, weil das Bedürfnis bei allen öffentlich beteiligten Institutionen extrem wuchs, nun auch eigenständig die Inhalte ihrer Webseiten ändern und ergänzen zu wollen, ohne über uns als keines Team gehen zu müssen. Aber vor allem Jan Steenbuck hat diesen Anstrum der Herausforderungen gut Stand gehalten. Hier auf dem Foto (links) lacht er noch am Eröffnungstag 🙂

Das Team dahinter: Jan Steenbuck und Jens Junge
Das Team dahinter: Jan Steenbuck und Jens Junge

Eines unserer Highlights inhaltlicher Art war, bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein vom 22. März 1998, zusammen mit Ulf Grüner (heute beim Schweizer Radio und Fernsehen, SRF), im Landeshaus bei der Wahlkommission als Medium direkt vertreten zu sein, welches dann schneller die Wahlergebnisse im Internet verkünden konnte, als es der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit dem NDR konnte.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung spürte immer stärker, dass sie nicht mehr den Anforderungen der neuen digitalen Welt mit unserem kleinen Pilotprojekt gewachsen war. Gleichzeitig waren die Kassen (wie so oft) leer. Da kam in 1998 die Idee eines Private-Public-Partnerships im Wirtschaftsministerium auf. Könnte nicht ein privater Betreiber innerhalb eines europaweit ausgeschriebenen Verfahrens gefunden werden, der die Domain schlewig-holstein.de unter der Auflage betreiben und bewirtschaften möchte, die Landesregierung kostenneutral mitfahren zu lassen? So erging an mich die Aufgabe, eine europaweite Ausschreibung vorzubereiten und mit der ttz SH durchzuführen. Das sich mit inzwischen neun Personen entwickelte Team hatte damit die Hoffnung, für sich selbst auch eine neue Zukunftsperspektive entwickeln zu können, um aus der ökonomischen Sackgasse herauszukommen, denn um uns herum fingen alle an, mit Internetdienstleistungen und digitalen Produkten ordentlich Geld zu verdienen.

 

2.4. Das Ende des Schleswig-Holstein Forums

Im Mai 1999 war dann für uns und unser Team im Rahmen der ttz SH Schluss. Das Ausschreibungsverfahren hatte ergeben, dass nicht so wie gewünscht und bei dem Vorbild in Berlin für berlin.de auch für schleswig-holstein.de ein lukrativer, privater Betreiber gefunden werden könnte. Am Tag der Geburt,  unseres zweiten Sohnes, Justus, dem 31.05.1999, erhielt ich zwischen den Wehen auf dem Handy vom Wirtschaftsministerium den Anruf, dass ein passender Betreiber gefunden sei. Es war der Sparkassenverband Schleswig-Holstein, der „gewonnen“ hatte.

Die schleswig-holsteinischen Sparkassen hatten zukünfgig die Internetaktivitäten der Landesregierung mitzufinanzieren. An dieser Stelle höre ich aus Höflichkeitsgründen auf, Namen zu nennen, obwohl ich den damaligen Akteuren persönlich nur dankbar sein kann. Aber die Entscheidung, eine S-Online und später eine S-Netline in 1999 zu gründen, um dann als Sparkassenverband in der Rolle als Internetzugangsprovider fungieren zu können, konnte nur grandios scheitern.

Ich selbst wurde in der Absicht, mich für diese neue Firma anstellen zu wollen, in den Kreis der damaligen Sparkassenvorstände als Teamleiter zuerst eingeladen. Es gab 1999 noch 27 selbstständige Sparkassen in Schleswig-Holstein. So saß ich vor 27 in dunklen Anzügen gekleideten, krawattentragenden, älteren Herren, die mir in ihren üblichen Führungsrollen und in den Räumen ihrer Sparkassenakademie versuchten zu erklären, wie das Internetgeschäft zukünftig zu laufen hat. Ich wäre am liebsten schreiend aus dem Raum rausgerannt. Konnte mich aber noch beherrschen. Meine freundlich und bestimmt vorgetragenen Gegenreden und Argumente, dass man das auch anders sehen könnte, wurden ignoriert. Meine Vorausschau, dass das nur ein teures Scheitern werden könnte, sollte nicht gehört werden. Entschiedungen waren gefallen und ich sollte sie gefälligst umsetzen. Was fiel mir als Grünschnabel ein, diesen gestandenen Führungspersönlichkeiten zu widersprechen? Dabei hatte ich auch extra einen dunklen Anzug an und hatte mir wieder meine Bärchenkrawatte als Kulturstrick umgelegt (s. Foto). Hat nicht geholfen.

Jens Junge
Jens Junge mit Bärchenkrawatte

Da fiel mir recht zügig als Ausrede ein, warum ich für eine Anstellung in einer Sparkassenfirma nicht zur Verfügung stehen würde: Ich möchte doch noch promovieren! Ja, hatte ich zwar irgendwann mal vor, aber jetzt nahm diese Idee in dieser Situation plötzlich ungemein innerhalb von Sekunden Fahrt auf. So rannte ich glücklich befreit aus dieser für mich sehr unangenehmen Gesprächssituation heraus. Ich konnte doch nicht 27 Sparkassenvorständen noch deutlicher sagen, dass ich sie unmöglich fand. Selbst wenn nicht die unsinnigen unternehmerischen Entscheidungen im Raum gestanden hätten, dann hätte mich die im Gespräch erfahrene Unternehmenskultur dieser Gesellschafter immun gegen jede noch so hohe Gehaltsverlockung gemacht. Das Thema der flachen Hierarchien in agilen, innovativ arbeitenden Teams war ihnen noch unbekannt.

Jetzt waren aber meine anderen Teammitglieder dran. Auch die wollten die Sparkassenvertreter als Knowhow-Träger gerne anstellen. Aber so wie es mir erging, kamen auch alle anderen arg verzweifelt aus den Gesprächen heraus und hatten jeweils ihre Anstellung in Anbetracht des offensichtlichen in naher Zukunft unabwendbaren Scheiterns dieser neuen Firma abgelehnt. Ich wurde von meinen Teammitgliedern bestürmt. „Lass uns eine eigene Firma gründen!“ Die Sparkassen wären auf uns als Team in den ersten Monaten angewiesen. Selbst für eine reine Übergabe der Systeme würden wir einen Servicevertrag mit denen abschließen können. Wenn wir sie von ihrem Irrglauben nicht befreien können, dann nutzen wir doch deren Lehrgeld, welches sie bereit waren in Masse auszugeben, um damit den Start unserer eigenen Firma zu finanzieren. Und so wurde ich ungeplant zum Vorsitzenden der Ticcon AG, die sich am 27.11.1999 in Flensburg gegründet hat. Tatsächlich wurde S-Online, wie die neue Firma des Sparkassenverbandes zum Start hieß, unser erster Kunde und ich vertagte mein Promotionsvorhaben. Als Geschäftsführer der Sparkassenfirma wurde ein ehemaliger Chef der Daimler-Benz-Tochter debis AG, also eines Großkonzerns, eingestellt. Groß und teuer muss doch gut sein, oder?

 

3. Transaction + Information + Communication and Consulting = Ticcon

Der erste Firmensitz war der Holm 64 in der Flensburg Fußgängerzone in dem Büro des Flying Kiwi Verlags und des Kreisverbandes der Grünen im ersten Stock, wo wir als Untermieter anfingen. Marcel Dinslage, Mitgründer und Mitvorstand begann schnell auszuschwärmen, um geeignete Räumlichkeiten für unser Unternehmen zu identifizieren und er wurde am Hafendamm 33a fündig. Wir kauften Bürotische, Stühle und Computer aus unserem Stammkapital heraus, um das neue Büro einrichten zu können. Böser Fehler.

Ticcon AG, Hafendamm 33a, Flensburg
Ticcon AG, Hafendamm 33a, Flensburg, bis 2007

Natürlich existiert eine neue Firma als Kapitalgesellschaft nicht schon, wenn die wertvolle Stempelfarbe des Notars auf dem Gesellschaftsvertrag trocken ist. Nein. Es bedarf einer formellen Eintragung beim Amtsgericht. Und wenn auch der Amtsschimmel etwas viel Zeit braucht, bis er wiehert, weil er gerade „auf Computer“ umstellt, dann hat man einen aktuellen Kontoauszug mit dem vollen Stammkapital eben später noch einmal zu präsentieren. Eine Sachgründung mit Tischen, Stühlen und Computern wäre sehr kompliziert, deshalb musste das Konto schnell wieder gefüllt werden. Die Motivation, zügig neue Kunden akquirieren zu wollen, um flink Anzahlungsrechnungen zum erneuten Auffüllen des Firmenkontos ausstellen zu können, erfuhr damit eine ungemein wirksame staatliche Förderung. Wen rufe ich an? Wo fahre ich als erstes hin, um einen sicheren Auftrag zu erhalten? Willkommen im projektorientierten Agenturgeschäft.

Logo Ticcon Online Marketing
Logo Ticcon Online Marketing

 

 

 

Serious Game "Eridanus Quest"
Serious Game „Eridanus Quest“ der Lighthouse Foundation 2001

 

 

Virtuelles Rathaus, Gemeinde Büchen
Virtuelles Rathaus, Gemeinde Büchen, 2002

 

 

eGovernment: Das virtuelle Rathaus
eGovernment: Das virtuelle Rathaus, 2002

 

 

 

HLX Flugbuchungssystem Mobile
HLX Flugbuchungsssystem Mobile 2004

 

 

Ticcon AG bringt den Kirchentag online
Ticcon AG bringt den Evangelischen Kirchentag online, 2005

 

 

Luftbild Flensburger Innenstadt mit Deutschem Haus und Rathaus
Luftbild der Flensburger Innenstadt mit Deutschem Haus und Rathaus mit Blick zum Sandberg, 2007

 

 

Tagesschaumeldung zu MAN Roland, 2011
Tagesschaumeldung zu MAN Roland, 2011